Podiumsdiskussion mit hochkarätigen Experten aus der Kultur- und Tourismusbranche
München, 27.06.2022 – Attraktive Kulturangebote fördern den Tourismus, vor allem, wenn sie gebündelt und gut vermarktet werden und mit einem Leuchtturmprojekt sinnbildlich ins Schaufenster gestellt werden. Und ein solches Leuchtturmprojekt könnte und sollte das Neue Konzerthaus München werden, so das Fazit einer Fachdiskussion der Tourismus Initiative München (TIM e.V.). Viel Beifall gab es für das Schlusswort der Moderatorin, TIM-Vorstandsmitglied Anna Kleeblatt: „Ich wünsche mir mehr Mumm bei der Diskussion um das Konzerthaus. Wenn nicht jetzt, wann dann? Je länger wir warten, desto teurer wird es.“
Den Kulturtourismus von Innen und Außen zu beleuchten, Chancen und Erfolgsfaktoren zu identifizieren, das war das Ziel der Veranstaltung, zu der TIM namhafte Experten aus der Tourismusbranche eingeladen hatte. Michael Otremba, Geschäftsführer der Hamburg Marketing GmbH, berichtete von seinen Erfahrungen mit der Elbphilharmonie, lange umstritten, Zeit- und Kostenpläne waren explodiert. „Aber am zweiten Tag nach der Eröffnung war sie bei den Bürgerinnen und Bürgern angekommen. Sie lieben sie.“

(v.l.: Michael Otremba, Prof. Dr. Jürgen Schmude, Anna Kleeblatt, Benedikt Brandmeier, Lars Bensch)
Die Elbphilharmonie habe Hamburg eine andere Wahrnehmung als Kulturstandort beschert als vorher. „Man verbindet uns nicht mehr nur mit Musicals. Und die Elbphilharmonie hat die Stadt massiv verändert, vor allem das Selbstbewusstsein. Sie ist viel mehr als nur ein Konzerthaus, sie steht für den Mut der Stadt. Sie ist kein Ort der Hochkultur, sondern einer für alle, für die Hamburgerinnen und Hamburger genauso wie für die Gäste. Jedes Hamburger Kind sollte hier wenigstens einmal Musikunterricht genossen haben.“ Das Licht der „Elphi“, so der Hamburger Marketingchef, scheine auch auf andere Kultureinrichtungen, zum Beispiel die Oper, und habe Anstöße gegeben für ein neues Miteinander. „Die Zahl der Kulturtouristen, zum Beispiel aus Dänemark und der Schweiz, hat sich deutlich erhöht“, sagte Otremba.
Den Qualitätsanspruch im Kulturbereich als wesentlicher Bestandteil der strategischen Produktgestaltung der Landeshauptstadt München unterstrich Benedikt Brandmeier, Leiter München Tourismus im Referat für Arbeit und Wirtschaft der Stadt: Das Kulturangebot in der Stadt sei gut, es gehe vorrangig nicht um eine Verbesserung, „sondern um ein Highlight, deshalb blicken wir auch nach Hamburg, wo die Elbphilharmonie eine Sehenswürdigkeit ist.“
Auch wenn das qualitative Angebot in München sehr gut sei, gebe es doch ein gravierendes Problem. „Wir haben in München einen enormen Bedarf an Flächen, die Nachfrage nach Tickets ist groß und wir haben jetzt schon nicht genügend Eintrittskarten für unsere Gäste. Für mich stellt sich die Frage nicht, ob wir, da wir die Isarphilharmonie haben, noch ein Konzerthaus brauchen. Das sind zwei Stätten, die sich nicht den Rang ablaufen werden. Beide Häuser können mit ihrer unterschiedlichen Ausrichtung gut nebeneinander bestehen.“ Eines sollte laut Brandmeier in der Diskussion um die wirtschaftlichen Auswirkungen zum Beispiel der Corona-Pandemie nicht vergessen werden: „Es sind die großen Städte, die darunter am meisten gelitten haben, nicht etwa die Nordseebäder.“ Es lohne sich daher, in den Kulturtourismus zu investieren und das Miteinander der Kulturschaffenden zu fördern.
Prof. Dr. Jürgen Schmude, Bayerisches Zentrum für Tourismus e.V. unterstrich das: „Aus ökonomischer Sicht sind Kulturtouristen eine interessante Zielgruppe, denn, auch wenn sie zahlenmäßig noch eine kleine Gruppe sind, geben sie auf ihren Reisen mehr Geld aus als andere Touristen, außergewöhnlich viel mehr, etwa beim Shoppen oder Essen.“ Es sei wichtig, das Produkt Kultur zu schärfen und damit Reiseanreize zu schaffen.
Einig war sich die Runde, wie wichtig außergewöhnliche Kulturbauten sind und welch hohe Anziehungskraft sie entwickeln können. „Die Mehrheit der Menschen, die Neuschwanstein oder den Eiffelturm besuchen, gehen gar nicht rein, wollen aber unbedingt dort hin und wählen deshalb genau die Destinationen. Die Symbolkraft dieser Bauten hat einen hohen Stellenwert“, sagte Lars Bengsch, Diplom-Geograf und Geschäftsführer der dwif-Consulting GmbH am Standort München. „Was ich am Konzerthaus reizvoll finde, ist die Urbanisierung der Hochkultur, eben durch den Standort im Werksviertel. Es könnte ein Leuchtturmprojekt werden, nicht nur durch hochkarätige Konzerte, sondern weil es einfach ein cooler Kulturbau ist, den man unbedingt sehen will, wo man zum Beispiel auf einer Plattform eine schöne Aussicht und neue Perspektiven genießen kann.“ Das sei aus einer Sicht ein Produkt, das man sehr gut ins „Schaufenster“ stellen kann, wovon viele andere Kultureinrichtungen der Stadt profitieren können.